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Tagsüber Tierportraits, nachts Nebel: die Fotografin Sophie Paulin im Interview

Sophie Paulin hat in der Corona-Pandemie mit dem Fotografieren angefangen und sich innerhalb kürzester Zeit zur profilierten Astrofotografin entwickelt.

Sophie Paulin

Inzwischen hat sie einen bislang nicht katalogisierten Nebel entdeckt. In weniger als drei Jahren vom Einsteiger zum Profi, wie geht das? Die junge Ingenieurinformatikerin aus Bobingen ist von ansteckender Begeisterungsfähigkeit, und im Gespräch lernen wir schnell: Wenn Sophie etwas anpackt, dann gibt es nur ganz oder gar nicht.

Sophie, der Sternenhimmel hat dich gepackt und scheint dich nicht mehr loszulassen. Woher kommt diese Faszination?

Ich habe ein großes Interesse an den Naturwissenschaften, das vermutlich mein Opa geweckt hat. Er war Doktor der Chemie und hat mir auf langen Spaziergängen alles über die Sterne erzählt, ich fand das damals unfassbar faszinierend. Astrophysik war mein bestes Fach in der Oberstufe, das zu studieren wäre sehr interessant gewesen. Leider ist das in Augsburg nicht möglich, es ist aber auch schwer als Astrophysikerin Arbeit zu finden. Mit dem Bachelor in Ingenieurinformatik habe ich direkt einen Job gelandet und kann damit meine Leidenschaft für die Astronomie finanzieren.

Du hast zunächst gar nicht daran gedacht, Sterne zu fotografieren.

In der Pandemie habe ich eine Spiegelreflexkamera gekauft, um damit Videos von meinem Hund Spotty zu machen, ein Australian Shepherd, der über 200 verschiedene Tricks beherrscht. Dann habe ich ein Bild der Andromedagalaxie gesehen, das mit dem 200mm f/2.8 Objektiv geschossen war, das ich auch verwende. Das musste ich probieren. Das war im Mai, nicht der beste Monat für ein Herbststernbild. So stand ich dann auf dem Acker und wartete die halbe Nacht, bis Andromeda um 3 Uhr endlich hoch genug für ein erstes Foto war.

Heute ist die Astrofotografie Deine große Leidenschaft. Wie passt das mit der Tierfotografie zusammen?

Ich würde schon sagen, dass es einen Zusammenhang gibt. Letztlich geht es um Naturfotografie, auch wenn wir den Begriff meist enger fassen. Zur Natur gehört die Landschaftsfotografie und dann sind wir auch schon bei Nightscape. Da ist der Schritt zur Astrofotografie nicht weit. Tagsüber Tierportraits, nachts Nebel (lacht).

Du hast Andromeda dann immer wieder fotografiert. Der Fortschritt ist frappierend.

Ja, M 31 ist so eine Art Home-Position am Himmel geworden. Ich habe die Galaxie schon fünfmal fotografiert, das ist immer das erste Objekt, wenn ich neues Equipment habe. Nach dem 70-200mm Tele kam ein 600mm Tele und dann das erste Teleskop.

Die Andromedagalaxie M 31, fotografiert von Sophie Paulin. 2x ohne Tracking mit 200mm Teleobjektiv, 1x mit Fotomontierung und 200mm Teleobjektiv mit Telekonverter, 1x mit Fotomontierung und 600mm Teleobjektiv, 1x mit 8" f/4.5 Newton-Teleskop. Die Andromedagalaxie M 31, fotografiert von Sophie Paulin. 2x ohne Tracking mit 200mm Teleobjektiv, 1x mit Fotomontierung und 200mm Teleobjektiv mit Telekonverter, 1x mit Fotomontierung und 600mm Teleobjektiv, 1x mit 8" f/4.5 Newton-Teleskop.

Welche Montierung hast Du für diese ersten Fotos verwendet?

Gar keine, nur Stativ und Kugelkopf und dann Belichtungen mit 1,5 sec, wobei ich noch selbst auf den Auslöser gedrückt habe. Die Einzelbilder habe ich gestackt, das Ergebnis seht Ihr im ersten der fünf Andromeda-Fotos. Dann kamen die Fotomontierung und schließlich mein Teleskop. Das letzte Foto habe ich im Oktober 2021 gemacht, das ist auch schon wieder eine Weile her. Ich würde gern noch einmal ein Bild mit dem aktuellen Equipment machen.

Was war Dein erstes "richtiges" Teleskop?

Das war gleich das 8 Zoll f/4.5 ONTC-Newton von TS, das ich noch heute verwende. Da habe ich erst einmal die Spiegelreflex darauf geschraubt. Und dann ging es los. Ich fotografiere einfach von meiner Terrasse aus, wir haben hier einen Bortle 4 Himmel, zum Fotografieren passt das. Klar, für visuelle Beobachtungen müsste ich in die Alpen fahren, aber das habe ich bislang noch nicht so viel gemacht.

Du hast keine Angst vor langen Belichtungszeiten, das erfordert Disziplin. Wenn das Wetter stimmt, musst Du raus. Wie motivierst Du Dich? Fällt das auch mal schwer?

Ich brauche nicht lange zum Aufbauen, sonst ginge das gar nicht. Das Teleskop steht im Freisitz unter dem Dach und ist nur abgedeckt, ich brauche also keine Zeit zum Auskühlen. Ich schiebe das raus, richte die Montierung aus und los geht es. Die Montierung ist eine CEM 70 von iOptron, im Polsucher ist eine Kamera verbaut, damit geht das Einnorden superschnell.

Was macht für Dich ein gutes Astrofoto aus?

Es muss mir gefallen (lacht). In der Theorie: keine Gradienten, niedriges Rauschen, scharfe Sterne, gute Bildkomposition. Eine gute Bildkomposition ist gar nicht so einfach, ich kann ja nur Bildmittelpunkt, Ausschnitt und Rotation einstellen. Aber wenn man es schafft, dann ist das cool.

Von den Motiven bist Du für alles offen? Auch mal Planeten?

Klar, mit allen Tricks – für Planeten wässere ich sogar die Terrasse, damit das lokale Seeing stimmt! Alles kommt vor die Linse, auch der Mond, aber da ich viel Nebel fotografiere, haben der Mond und ich kein ganz einfaches Verhältnis (lacht).

Wie findest Du Deine Ziele? Was reizt Dich an Objekten?

Momentan fotografiere ich die Dinge, von denen noch keiner ein gutes Foto hat, und die auch schwer sind. Ich habe richtig gutes Equipment, und da will ich auch wissen, was damit möglich ist. Da ist dann nicht mehr der Orionnebel das Ziel. Ich schaue natürlich, was andere fotografieren, und ich nutze Himmelsdurchmusterungen, die kann man ja gut online durchschauen. So bin ich auch auf mein aktuelles Projekt gestoßen, das ist ein Kandidat für einen planetarischen Nebel, von dem es noch gar kein Bild gibt. Das sieht interessant aus.

Wie kam es zu der Entdeckung Deines Nebels Rebpau1?

Der Start war ein "Astronomy Photo of the Day" mit dem Reflexionsnebel NGC 7129 in Kepheus. Da waren diese roten Ausläufer zu sehen, und ich dachte mir: "Sieht das wirklich so aus?" Das will ich fotografieren! Ich war einfach neugierig.

Und dann hast Du drei Monate von Deiner Terrasse aus belichtet.

Ja, 118 Stunden insgesamt. Die roten Ausläufer sind deutlich zu sehen, zum ersten Mal auf einer Amateuraufnahme. Und dann hat ein Freund gesagt: Was ist denn dieser kleine Nebel da, neben 7129? Wir haben dann die Datenbanken durchsucht, und da gab es keinen Eintrag. Ich hatte eine ordentliche Signatur in den Schmalbandaufnahmen, und wenn es Sauerstoff und Wasserstoff gibt, dann ist das immer interessant. Wir wissen noch nicht, was das ist, könnte ein planetarischer Nebel sein. Bis die Spektroskopie vorliegt, wird es noch etwas dauern. Der Nebel trägt aber auf alle Fälle jetzt unseren Namen.

NGC 7129 und Rebpau1, fotografiert von Sophie Paulin. Rebpau1 ist der planetarisch anmutende Nebel im linken Bilddrittel, etwa auf Höhe von NGC 7129. NGC 7129 und Rebpau1, fotografiert von Sophie Paulin. Rebpau1 ist der planetarisch anmutende Nebel im linken Bilddrittel, etwa auf Höhe von NGC 7129.

Unglaubliche Geschichte! Ein toller Erfolg, Du musst unglaublich stolz sein. Wie lange hast Du die Einzelaufnahmen belichtet?

Schmalband mache ich 10 Minuten, sonst kriege ich zu viele Bilder (lacht). Farbausnahmen meistens 3 Minuten, damit die Sterne nicht ausbrennen.

Welche Astrokameras verwendest Du?

Inzwischen sind Farbe, Mono und Guide-Kamera im Einsatz, ich fotografiere ja auch Planeten. Für Deep Sky verwende ich die ZWO ASI 2600. Die Kameras hängen an einem alten Windows Surface Laptop, viel Rechenleistung ist ja zum Aufnehmen nicht erforderlich.

Astrofotografie erfordert ein recht spezifisches Wissen. Wie hast Du Dir das angeeignet? Nutzt Du Foren für den Austausch mit anderen Astrofotografen?

Am Anfang habe ich viel gelesen, gegoogelt und YouTube Videos geguckt. Mittlerweile bin ich auf einigen Discord-Servern zu Astrofotografie, also quasi die modernen Foren, und da kann man richtig viel Wissen austauschen. Da chattet man mit 10 Leuten gleichzeitig und bekommt auf alles eine Antwort, und durch den Austausch kommt man immer wieder auf neue Ideen. In herkömmlichen Foren kommt die Antwort oft erst zwei Tage später. Discord hat sehr viele Funktionen, das erschlägt einen erstmal. Ich nutze das seit 6 oder 7 Jahren und bin so ganz gut hineingewachsen.

Welches Gewicht kommt der Nachbearbeitung der Bilder am Computer zu?

Das ist eine eigene Sache, ich weiß gar nicht, woher die Begeisterung dafür kommt. Ich habe pro Bild etwa 4-5 Stunden reine Arbeitszeit und auch schon mal zwei Wochen investiert, weil ich so viele Dinge neu dazu gelernt habe. Ich will herausfinden, was man aus einer Aufnahme herausholen kann. Dazu habe ich gerade noch einmal Daten mit dem Equipment gesammelt, das ich für die ersten Fotos verwendet habe. Um herauszufinden, was in dieser einfachen Ausrüstung steckt. Und auch um zu sehen, wie viel ich in den letzten zwei Jahren dazugelernt habe.

Wie hast Du Dir die Bildbearbeitung angeeignet? Hilft Dir Dein Beruf als Software-Entwicklerin bei der Bildbearbeitung?

Ich habe tatsächlich kein einziges Buch gekauft, so schnell wie sich die Software entwickelt, da kommt kein Buch hinterher. Jeden Monat kommt etwas Neues heraus, das geht nur über das Internet. Auf jeden Fall macht mir das richtig Spaß. Man muss aufpassen, dass man die Fotos nicht verfälscht, alles muss reproduzierbar sein. Es geht ja auch um Wissenschaft und nicht nur um schöne Bilder.

Welche Programme benutzt Du?

Natürlich PixInsight, dann Astro Pixel Processor und Affinity Photo.

Geht Dein Interesse jetzt nur dahin, immer bessere Fotos von schwierigen Objekten zu machen, oder ist so ein einfacher Astrotracker mit einer Spiegelreflex immer noch interessant?

Das 600mm Objektiv habe ich nur noch für Sonne und Mond verwendet, seit der Newton da ist. Aber ich habe mir ein 135mm F/2 Objektiv für Weitfeldaufnahmen gekauft, damit kann man gute Bilder machen, weil es so schön scharf ist. Das Objektiv ist schnell und perfekt für die Fotomontierung. Das ist schon noch im Einsatz, braucht aber viel Zeit. Mit dem großen Newton geht alles automatisch, der fokussiert allein, führt allein nach, macht die Bilder. Mit der Spiegelreflex muss ich alles manuell einrichten.

Hast Du Tipps für Astrofoto-Einsteiger? Welchen Fehler siehst Du häufiger oder würdest Du vermeiden?

Ich sehe immer wieder Leute, die in die Astrofotografie einsteigen wollen und sich einen billigen Newton kaufen. Und damit hast du keine Erfolgserlebnisse. Die Nachführung ist nie gut genug, dann sind das meist visuelle Teleskope, die nicht richtig in den Fokus kommen. Da kommt nie ein vernünftiges Bild heraus, das sind einfach zu viele Probleme auf einmal. Der Anfang sollte immer mit der Spiegelreflex und einem schnellen Objektiv sein, dann kommt ein Tracker dazu. Erst ein Einzelbild, dann stackt man.

Ist es wichtig, mit visueller Beobachtung zu starten?

Nicht unbedingt, mit der Spiegelreflex lernt man den Nachthimmel auf ähnliche Weise kennen. Du musst die Objekte finden, starhoppen und so weiter. Deshalb funktioniert dieser Einstieg auch so gut, man kann in einzelnen Schritten langsam lernen.

Kannst Du ein paar Ziele verraten, die auf Deiner Agenda stehen?

Ich bin dabei, gemeinsam mit einem Partner ein Teleskop in Spanien zu installieren, auf das wir Remote zugreifen können. Das Wetter in Deutschland limitiert die Beobachtungszeit doch recht stark. Und dann kommt mein neuer Dobson, ein 20 Zoll f/3.2, der enorm viel Licht reinbringt. Ich kann damit Aufnahmen unter einer Sekunde machen, die immer noch problemlos registrieren. Damit möchte ich das Seeing austricksen und Lucky Imaging für Deep Sky machen. Das einzige Problem ist dann die Zahl der Aufnahmen, bei 5.000 oder 10.000 Einzelaufnahmen wird der PC der Knackpunkt sein (lacht).

Sophie, vielen Dank für das Gespräch, wir sind sehr gespannt was dabei herauskommt!

Ich auch, das ist wieder ein bisschen über die Grenzen gehen.

Links

Mehr über Sophie Paulin und ihre Astrofotos finden Sie auf ihrer Webseite, bei Instagram, Astrobin oder auf dem Discordserver darkmatters.

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Autor: Marcus Schenk

Marcus ist Sterngucker, Content Creator und Buchautor. Seit 2006 hilft er Menschen, das richtige Teleskop zu finden - heute über Texte und Videos. In seinem Buch "Mein Weg zu den Sternen für dummies Junior" zeigt er jungen und junggebliebenen Leuten, was sie am Himmel entdecken können. 

Als Kaffee-Junkie hätte er am liebsten seine Siebträger-Espressomaschine auch unter dem Sternenhimmel dabei.