Digiscoping
Digitale Fotografie durch das Okular eines Spektivs stößt in Brennweitenbereiche vor, die einem selbst die teuersten Teleobjektive nicht bieten. So geht's.
Was bedeutet Digiscoping
Als Digiscoping bezeichnet man es, wenn man ein Bild durch das Okular eines Spektivs aufnimmt. Das Spannende daran ist, dass man in Brennweitenbereiche vorstößt, die einem selbst die teuersten Teleobjektive mit den teuersten Spiegelreflexmodellen nicht bieten.
Was sollte ich beim Spektiv beachten?
Generell gilt, je größer die Öffnung und je kleiner die Vergrößerung des Okulars, desto größer ist die Austrittspupille (Öffnung: Vergrößerung), also der Bilddurchmesser, der abgebildet werden kann. Dies ist wichtig, um möglichst wenig Vignettierung (Randabdunklung) auf dem Bildergebnis zu haben. Wenn sich diese nicht ganz vermeiden lässt, haben die meisten Kameras heutzutage genug Auflösung, dass man noch sorgenfrei einen Bildausschnitt machen kann. Wir empfehlen eine Objektivöffnung von mindestens 70mm und einen Zoombereich am Okular von ca. 20-50-fach.
Desto hochwertiger die Linsenarten (APO, Field Flattner Linsen) und die Glassorten (FL, HD, ED usw.) verwendet werden, umso weniger störende Bildfehler wie Randunschärfe oder Farbsäume treten auf.
Welchen Kameratyp kann ich verwenden?
Als Erstes muss man sich Gedanken machen, welche Art von Kamera für das Digiscoping eingesetzt wird. Habe ich eine Spiegelreflex-, System- oder Kompaktkamera zur Verfügung bzw. plane ich eine Neuanschaffung. Je nach Kameraart muss ich darauf achten, ob es für das Spektiv, das mich interessiert, einen passenden Adapter gibt.
Spiegelreflex- oder Systemkameras
Fast alle namhaften Hersteller bieten dazu passende Adapter an, allerdings nicht für jedes Modell einen Adapter, der das Bild des Okulares abbildet, sondern oft wird ein Fotoadapter statt dem Okular eingesetzt. Dieser bietet dann nur eine feste Vergrößerung, meist um die 800-1000mm Brennweite (z. B. Meopta, Optolyth)
Nikon bietet für seine EDG-Spektivbaureihe einen Adapter mit Zoomfunktion an (400-1400mm entsprechend Kleinbild bei EDG 65 bzw. 500-1750mm entsprechend Kleinbild bei EDG 85-Modellen). Dieser ist an sich nur für Nikon-Kameras geeignet, kann allerdings mittels Adapter z. B. von Novoflex auch mit Kameras anderer Hersteller kombiniert werden. Kowa hat ebenfalls einen Zoom-Adapter, dieser ist allerdings nur für Kameras im APS-C Format oder mit kleinerem Sensor geeignet.
Inzwischen geht der Trend zu Adaptern, die über das Okular gestülpt werden. Der große Vorteil dieser Adapter ist, dass die Variabilität des Zoomokulars nicht verloren geht und man schnell von Beobachtung auf Fotografie umschalten kann. Allerdings steigt mit zunehmender Zoomeinstellung am Okular die Gefahr für Vignettierung.
Diese gibt es von: Leica, Swarovski, Kowa sowohl für die 660/600/SV-82 und die 880/770er-Serie, Omegon und Nikon (speziell für die 1-Kameramodelle). Das Modell von Leica ist derzeit sogar das einzige mit Dioptrinausgleich. Dieser kann bis +/- 4 Dioptrien ausgleichen. Swarovski bietet speziell für MFT-Kameras und für Kameras mit Vollformatsensor entwickelte Modelle ihres Adapters an.
Für alle Adapter (außer dem für Nikon erwähnten Modell) wird noch ein sogenannter T2-Ring benötigt, um diesen an das Bajonett der Kamera anzubinden.
Zur Stabilisierung empfehlen wir QPL-Scope Stabilisierungssysteme von Novoflex. Diese gibt es für Spektive mit Schräg- oder Geradeeinblick.
Für die Kamera gilt es auch noch einiges zu beachten
Die Kamera sollte bei ISO-Werten zwischen 800-1600 noch brauchbare Ergebnisse liefern. Diese hohen ISO-Werte sind nötig, um die Belichtungszeiten möglichst kurzzuhalten, damit das Fotoobjekt nicht verwackelt ist.
Die Kamera sollte eine Möglichkeit der Fernauslösung bieten, am besten mit elektronischem Kabelauslöser, Funkauslöser oder via Near Field Communication über das Smartphone oder Tablet. Zur Not auch mit Infrarotauslöser, allerdings muss dieser dann immer in die Richtung des Empfangsteils an der Kamera gehalten werden, und Sonnenlicht kann das ausgesendete Infrarotlicht überstrahlen. Beim Selbstauslöser, den eigentlich jede Kamera bietet, droht immer die Gefahr, dass das Fotoobjekt sich bewegt, bzw. sich entfernt und dass eine Resterschütterung durch das Drücken des Auslösers bleibt.
Am besten eignen sich Systemkameras, die die Möglichkeit bieten, nur einen elektronischen Verschluss zu verwenden. Da bei diesen Modellen keine Erschütterungen durch Spiegelschlag oder den Ablauf des Verschlussvorhanges entstehen. Die Kamera sollte auf alle Fälle LiveView mit Zoomfunktion anbieten, da das Bild manuell scharfzustellen ist und die Schärfe lässt sich somit besser kontrollieren.
Die Kamera muss sich ohne Objektiv manuell belichten lassen. Leider funktioniert die automatische Belichtungsmessung der modernen Kameras meist durch das Spektiv nicht, dementsprechend muss diese manuell eingestellt werden. Nicht jede Kamera bietet die Möglichkeit die Belichtung zu messen ohne Objektiv, das mit der Kamera kommuniziert.
Die Nikon-Modelle der 3000 und 5000er Serie z. B. (sind dementsprechend ungeeignet.)
Bei den Adaptern, die über das Okular gestülpt werden, steigt mit der Größe des Sensors auch die Gefahr der Vignettierung. Die Bilder wenn möglich im RAW-Format aufnehmen, damit Fehler beim Weißabgleich oder unterbelichtete Bilder verlustfrei so weit wie möglich korrigiert werden können.
Einsatz von Kompaktkameras
Was das Spektiv betrifft, gelten an sich die gleichen Regeln wie beim Einsatz von Spiegelreflex- oder Systemkameras. Doch die Auswahl an Adaptern für die Kameramontage wird größer. Von Herstellereigenen Modellen, die meist sehr komfortabel zu bedienen sind, da die Kamera einmal richtig eingestellt, sich zur Seite (z. B. ZEISS, Kowa, Optolyth, Nikon) wegschwenken lässt, um zu beobachten und schnell wieder zurückgeschwenkt werden kann, um ein Bild zu machen. Manche Hersteller bieten auch Adapter, die über das Okular gestülpt werden. Diese sind meist einfacher in der Anwendung, sind aber meist nur für spezielle Kameramodelle geeignet (z. B. Leica für die aktuellen APO Televid-Modelle und die hauseigene X1/X2/X-E oder die neue X (Type 113)).
Einige Fremdhersteller bieten auch Adapter, die an verschiedenste Okulare geklemmt werden können. Meist müssen diese allerdings zum Verstellen der Zoomeinstellung am Okular abgenommen werden. Und man muss darauf achten, ob die Klemmeinrichtung auch über das Okular des Spektivs passt.
Manche dieser Adapter bieten einen Anschluss für einen klassischen Drahtauslöser, von der Verwendung dieser ist abzuraten, da auch dadurch die Kamera erschüttert wird.
Auch bei der Wahl der Kompaktkamera gilt es einiges zu beachten
Möglichst brauchbare Bildergebnisse bei hohen ISO-Werten (Bildrauschen).
Der Zoombereich des Objektives sollte zwischen 3-4-fach liegen, da sonst die Gefahr droht, dass das Objektiv gegen das Okular stößt (lässt sich meist auch nicht durch geringere Nutzung des Zooms vermeiden, da der Objektivtubus erstmal weit ausfährt beim Einschalten der Kamera). Der Objektivdurchmesser sollte nicht zu groß sein, da sonst wieder Vignettierungen auftreten.
Am besten ist es, wenn die Kamera einen Anschluss für einen Kabelauslöser hat (leider heute nur noch bei wenigen Kameramodellen möglich). Allerdings bieten immer mehr Kameras die Möglichkeit, via Near Field Communication (NFC) die Kamera mit dem Smartphone oder Tablet zu bedienen. Zur Not kann auch der Selbstauslöser verwendet werden. Dieser sollte aber eine Einstellung mit 2 Sekunden bieten, da die üblichen 10 Sekunden meist zu lang sind. Hier entsteht aber wieder die Gefahr des Verwackelns durch die Erschütterung beim Auslösen.
Der Fokus der Kamera sollte sich am besten manuell einstellen lassen. Welche Einstellung verwendet wird ist egal, da am Spektiv scharf gestellt wird. Die Bilder wenn möglich im RAW-Format aufnehmen, damit Fehler beim Weißabgleich oder unterbelichtete Bilder verlustfrei so weit wie möglich korrigiert werden können.
Digiscoping mit dem Smartphone
Manche Hersteller bieten inzwischen auch Adapter an, um Smartphones mit dem Okular zu verbinden. Überwiegend für Modelle der Apple iPhone 4/4s-Serie (z. B. Kowa, Meopta) bzw. Apple iPhone 5/5s (Kowa, Meopta, Swarovski). Für Nutzer des iPhone 6 bzw. iPhone 6s gibt es auch von Swarovski oder Kowa passgenaue Adapter. Neuerdings gibt es auch Adapter für das Samsung Galaxy S4 (Kowa und Meopta sind hier die Vorreiter). Auch ZEISS bietet hier inzwischen in Zusammenarbeit mit der Firma ExoLens Adapter für das Apple iPhone 6/6s bzw. Samsung Galaxy S6/S6 edge. Bei vielen dieser passgenauen Adapter benötigen Sie noch den passenden Adapterring für Ihr Okular oder Fernglas!
Die Firmen Lens2scope, Focus oder Carson bieten Adapter für eine Vielzahl von Okularen an. Alle Smartphone-Halterungen finden Sie hier.
Die Bildqualität kommt allerdings nicht an die von modernen Kompakt-, Spiegelreflex- oder Systemkameras ran. Aber das Handy hat man im Normalfall immer dabei. Also besser ein schlechtes als gar kein Bild!
Funktioniert Digiscoping auch durch´s Fernglas?
Vom Prinzip funktioniert das ganz genauso wie mit dem Spektiv, allerdings gibt es hier bisher nur wenige Adaptionsmöglichkeiten. Swarovski bietet einen Adapter für das Apple iPhone 5/5s, iPhone 6 und iPhone 6s. Diese lassen sich mittels verschiedenen Adaptern an fast alle Ferngläser und Teleskope von Swarovski anschließen. Meopta bieten einen Adapter für das Apple iPhone 4/4s, Apple iPhone 5/5s und neuerdings auch für das Samsung Galaxy S4 an. Kowa bietet Smartphone Adapter für das Apple iPhone 4/4s, Apple iPhone 5/5s, iPhone 6 und das Samsung Galaxy S4 mit austauschbaren Adaptern für verschiedene Okulare und Ferngläser aus ihrem Sortiment.
Generell empfiehlt sich, das Fernglas auf einem Stativ zu montieren. Und durch die geringe Öffnung müssen die Lichtverhältnisse schon sehr gut sein. Die Brennweite ist nicht mit der eines Spektivs vergleichbar. Sollte Ihr Fernglas keinen Stativanschluss besitzen, empfehlen wir die Fernglasstütze von Berlebach.
Die Wahl des Statives
Als Nächstes gilt das Augenmerk dem Stativ, bitte nicht nur auf die Tragfähigkeit und das zusammengerechnete Gesamtgewicht achten. Wir reden hier über Brennweiten von 500mm bis mehrere Meter (entsprechend Kleinbildformat). Dementsprechend gilt Stabilität und Schwingungsdämpfungseigenschaften als oberstes Gebot. Wir empfehlen die Verwendung von Stativen aus dem Material Holz oder Carbon (wem Holz zu schwer ist). Aluminiumstative neigen sehr lange zum Nachschwingen, dementsprechend wenn ein Aluminiumstativ bevorzugt wird, immer auf eine möglichst hohe Tragfähigkeit achten.
Als Stativkopf empfehlen wir sogenannte 2-Wege-Neiger (Videoneiger). Diese bieten meist die Möglichkeit, das Gewicht des Spektivs durch Verschieben der Wechselplatte auszutarieren. Manche Spektiv- oder Stativhersteller bieten auch Verschiebemöglichkeiten oder Halterungen zum Nachrüsten an, falls der ausgewählte Stativkopf dies nicht kann, oder der Verschiebeweg nicht ausreicht. Z. B. Swarovski, Kowa oder Manfrotto. Oft haben diese 2-Wege- oder Video-Neiger auch eine Federvorspannung und eine Friktionseinstellung, welche das Einstellen und das Handling zusätzlich erleichtert.
3-Wege-Neiger sind nur bedingt geeignet, da sie diese Verschiebemöglichkeit und die anderen Einstellhilfen nicht bieten. Von Kugelköpfen ist komplett abzuraten, da die Gefahr zu hoch ist, dass beim Öffnen des Kugelgelenks das Spektiv zur Seite kippt und dabei dieses oder die Kameraausrüstung beschädigt wird.
Fazit
Sie sehen also, um optimale Bildergebnisse zu erzielen, gilt es einiges zu beachten. Gerne beraten wir Sie bei der Auswahl des geeigneten Spektivs, Okulares, Fotoadapters und Stativs. Da bei Kameramodellen ein ständiger Wechsel gegeben ist, möchten wir Ihnen raten, bei der Wahl des richtigen Modells die oben genannten Kriterien zu beachten. Am besten Sie nehmen dies mit zum Fachhändler Ihres Vertrauens und probieren am besten verschiedene Kameramodelle mit Ihrer Spektivkombination aus.
Ich hoffe wir konnten das Thema für Sie interessant machen und haben bei Ihnen die Neugier geweckt, Ihre Beobachtungen zu archivieren oder mit Ihren Freunden und Familie zu teilen!
Übrigens: Für den, der schon das Riesenteleobjektiv hat, gibt es auch Erweiterungen, um dieses als Spektiv zu verwenden.